Das Interview mit Leon Windscheid, Psychologe und Autor "Dein Hirn erschafft Deine Gefühle"
Es ist nicht unbedingt die Chefin schuld, wenn wir uns über sie ärgern. Denn alles, was wir fühlen, bauen wir selbst in uns auf, sagt Leon Windscheid. Das heißt auch: Wir können unsere Gefühle beeinflussen. Im Interview spricht der Psychologe darüber, wie das geht - und warum negative Gefühle gar nicht so schlecht sind wie ihr Ruf.
Hat Angst auch eine gute Seite? Und welchen Einfluss haben wir auf unsere Gefühle? Der Psychologe Dr. Leon Windscheid hat Antworten auf diese Fragen. Er kennt sich aus mit Gefühlen und mit Themen rund um die Psychologie.
Emotionsregulation kann man lernen
"Wir gestalten unser Fühlen", sagt er. Fühlen komme nicht einfach von außen in uns rein. "Wir sagen so schnell: 'Die Chefin hat mich jetzt wütend gemacht oder das macht mich jetzt traurig', aber dein Hirn erschafft deine Gefühle. Alles, was du fühlst, baust du in dir auf, wie eine Architektin." Das könne passieren, ohne dass es einem bewusst sei, sagt Windscheid. "Aber das macht die Tür auf zu sagen: Okay, wenn ich mein Fühlen selbst mache, kann ich dann nicht mitgestalten?" Die klare Antwort darauf laute: ja! In der Psychologie nenne man diesen Prozess Emotionsregulation.
Das sei eine der Kernbotschaften auf seiner Tour und in seinem Buch (s.u.): Leute können besser darin werden, ihre Gefühle zu regulieren - indem sie mit ihnen arbeiten statt gegen sie. Sich seine Gefühle genauer anzuschauen, könne helfen: Aufzudröseln, warum man sich schlecht fühle, worauf genau man neidisch sei oder wütend. Sich zu fragen, was da im Hinterkopf sei und wo der Druck herkomme. Und schließlich, wenn man die Emotionen erkannt und akzeptiert habe, passgenaue Strategien entwickeln. Wenn Wut zum Beispiel eine Wut aufs gesamte System sei, könne man sich politisch engagieren. Wut auf Menschen, die man liebt, dauere hingegen oft nur kurz: "Sie brutzelt kurz hoch und geht dann wieder weg." Dieses Wissen könne helfen, sie nicht so ernst zu nehmen.
Schlechte Gefühle sind wichtig
Auf seiner Tour "Gute Gefühle " begibt sich Windscheid derzeit auf eine Reise durch unser Innenleben - und zeigt auch, dass starke Emotionen wie Trauer, Neid oder Wut Menschen helfen und weiterbringen können. Denn auch schlechte Gefühle seien wichtig, sagt der Psychologe. Die Natur habe sich bei allen Gefühlen etwas gedacht: "Wenn man ein negatives Gefühl wie zum Beispiel Neid empfindet, gibt es die Möglichkeit, ehrlich zu sich selbst zu sein und demütig anzuerkennen: Du bist nicht so weit! Da kann jemand etwas, was du noch nicht kannst. In diesem Moment kann Neid mir wie ein Kompass zeigen, was ich tief in meinem Inneren wirklich von mir erwarte beziehungsweise wünsche."
Im November 2022 hat der 34-Jährige das Workbook zu seinem im Jahr 2021 erschienenen Spiegelbestseller "Besser fühlen" veröffentlicht. Darin nimmt er die verschiedenen Gefühle wie Angst, Wut, Traurigkeit, Liebe, Geduld oder Leidenschaft unter die Lupe und beschreibt, was sie so wertvoll macht.
Millionen-Gewinn bei Günther Jauch
"Betreutes Fühlen" heißt der gemeinsame Podcast von Leon Windscheid und Atze Schröder, den mehr als 3,5 Millionen Menschen abonniert haben. Der junge Forscher sucht hier gemeinsam mit dem Komiker nach Antworten auf die großen Fragen des Lebens. Zwei völlig verschiedene Köpfe verbinden Erfahrung mit Wissenschaft. "Am Anfang hatten wir Vorbehalte. Nach ein paar Folgen haben wir aber gemerkt, diese Kombi aus dem echten Atze hinter der Bühnenfigur, der total belesen ist, der super Tiefgang hat und der zu sehr vielen Themen unglaublich spannende Impulse mitbringt und auch einfach mehr Lebenserfahrung hat als ich, das befruchtet sich unglaublich."
Als Student hat Leon Windscheid im Jahr 2015 als elfter Kandidat bei "Wer wird Millionär" die Million geknackt. Mit dem Gewinn konnte er sich den Traum von einem eigenen Partyboot erfüllen. Mittlerweile konzentriert sich Windscheid aber ausschließlich auf die Psychologie. Im ZDF läuft außerdem die zweite Staffel seiner Sendung "Auf der Couch", bei der sich immer zwei Personen mit unterschiedlichen Meinungen gegenübersitzen und mit dem Psychologen eine Annäherung wagen.
Sendung: hr-iNFO "Das Interview", 15.12.2022, 21:05 Uhr
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