Onlinehandel Braucht Hessen eine Lieferdienst-Steuer?

Während lokale Geschäfte vor Ort hohe Kosten haben, zahlen Online-Versender bislang nichts für die Nutzung der Infrastruktur. Barcelona ist die erste Stadt, die diesen ungleichen Wettbewerb mit einer Steuer für Lieferdienste ausgleichen will. Wäre das auch für Hessen eine gute Lösung? Die Stadt Wiesbaden jedenfalls setzt bislang auf andere Konzepte.

Ein Mann liefert in der Wiesbadener Innenstadt Pakete aus.
Bild © picture-alliance/dpa
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Lieferverkehr morgens um 10 Uhr in der Wiesbadener Innenstadt mit Lastern und Palettenwagen - Lärm und Gestank machen das Shoppen ungemütlich, oft bis halb zwölf. Auch auf den Straßen draußen stören Paketdienste, die vor Einfahrten oder auf Radwegen parken. Eine freundlichere Lösung zum Ausliefern: die letzte Meile mit einem Elektrorad für schwere Lasten, mit einer großen Box hintendrauf. Wiesbaden hat dazu ein Pilotprojekt am Elsässer Platz, gut fünf Fahrradminuten von der Innenstadt.  

Letzte Meile per Rad hat Vor- und Nachteile

Gerhard Gros von der Bioland-Gemüsekiste "Gesund und munter" hat hier einen Container als Zwischenlager. Die Vorteile sind klar: "Die grundsätzliche Auslieferung ist schneller als mit dem Transporter, weil man Abkürzungen fahren kann. Man darf ja durch die Einbahnstraßen fahren und hat dadurch erst mal kürzere Wege. Was es dann teuer macht, ist dieser Rückweg."

Außerdem können schwere Pakete nicht befördert werden, manche Radwege sind zu eng und es ist schwer, bei Wind und Wetter kräftige Radfahrer zu finden. Sagt auch Gerd Seber von dpd. Der Paketdienst hat auch einen Container am Wiesbadener Zwischenlager: "Finanziell ist es kein Vorteil. Also die Fahrräder sind schon relativ teuer, im fünfstelligen Bereich, und ich brauche natürlich noch einen weiteren Umschlagsprozess vor Ort, also wo die Pakete aus dem Depot hingebracht werden, dann dort nochmal sortiert und feinsortiert in die Tour-Reihenfolge und beladen werden, und ich brauche natürlich immer noch ein Fahrzeug, das die Pakete dort in das Gebiet bringt."

Lieferdienst-Steuer gegen ungleichen Wettbewerb

dpd hat Radstationen in Hanau, Berlin, Konstanz und Ludwigsburg. Mit dem Fahrradmodell müsste dpd auch in Barcelona keine Steuern zahlen: Lieferungen ohne Auto sind ausgenommen. Besteuert werden nur große Lieferdienste, bei uns wären das zum Beispiel DHL, dpd und inzwischen auch Amazon. Barcelona geht wohl davon aus, dass die Paketdienste die Kosten an die Onlinehändler weitergeben. Seber sagt deshalb: "Die Online-Versender, die meist auf jeden Fall im Ausland sitzen, aber hier durchaus unsere Infrastruktur mitnutzen und diese Infrastruktur ja auch ein Stück weit mit verschleißen - diese Online-Versender über so eine Steuer daran zu beteiligen, was sie sozusagen auf der letzten Meile verursachen, kann ich grundsätzlich nachvollziehen."

Vor drei Jahren diskutierte man schon im Bundestag eine Paketabgabe für den Onlinehandel. Ohne Ergebnis. Nun macht es Barcelona vor: Die Nutzung von Straßen durch Lieferdienste koste die Stadt 2,6 Millionen Euro im Jahr, haben Wissenschaftler errechnet. Das zahlt bisher die Stadt, nicht die Online-Händler. Lokale Geschäfte müssten aber oft Grundsteuer, Müllabfuhr und Straßenreinigung zahlen. Ein ungleicher Wettbewerb, meint Barcelona, und will das mit der Lieferdienst-Steuer ausgleichen.

Masterplan "Restart City" in Wiesbaden

Wiesbaden versucht anders, den Geschäften zu helfen: mit einer Belebung der Innenstadt. Zum Beispiel soll ein dreimonatiger Sommermarkt mit Bratwurst und Lounge-Gefühl Menschen in die Stadt locken. Es gibt Fahrradtage, ein Kaffeefestival, Bühnen für Straßenmusik im Herbst und einen Weihnachtsmarkt für Kinder. Alles Teile des Masterplans Innenstadt und des "Restart City"-Programms.

Ob Wiesbaden auch eine Steuer für online gekaufte Pakete begrüßen würde, bleibt offen. "Wir sehen keinen Anknüpfungspunkt für eine kommunale Besteuerung von Online-Händlern", heißt es vom Steueramt. Vom neu besetzten Wirtschaftsdezernat kommt gar keine Antwort. 

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Quelle: hr-inforadio.de/csi