Aktienrente der Bundesregierung "Kaum ein Tropfen auf den heißen Stein"
Rente sicherer machen mit Hilfe von Aktien? Das ist zumindest der Plan der Bundesregierung. Zehn Milliarden Euro sollen jährlich in einen Fond fließen. Ab Ende der 2030er Jahre sollen die Überschüsse dann in die Rentenkasse fließen. Das werde jedoch so nicht funktionieren, sagt Rentenexperte Jochen Pimpertz im Gespräch mit hr-iNFO.
Jochen Pimpertz ist Rentenexperte vom Institut für Deutsche Wirtschaft. Wir haben ihn gefragt, wie die geplante Aktienrente genau aussehen soll und welche Vor- und Nachteile sie hat.
hr-info: Wie soll dieses Modell der Aktienrente denn funktionieren?
Pimpertz: Die Idee ist, dass die Aktienrente in Zukunft nicht mehr allein aus Beitragseinnahmen finanziert werden soll, sondern zum Teil auch aus Überschüssen einer Kapitalanlage. Denn in einer alternden Gesellschaft müssen immer mehr Rentner versorgt werden, und das kann nicht länger alleine nur über steigende Beitragssätze erfolgen.
hr-info: Also darüber, dass wir immer mehr Teile unseres Einkommens für Rentenkasse aufbringen müssen?
Pimpertz: Ganz genau. Mit der Aktienrente soll ein Kapitalstock am Kapitalmarkt angelegt werden. Und die erhofften Überschüsse sollen dann jährlich an die Rentenkasse fließen, damit die Beitragssätze nicht mehr so stark steigen müssen und trotzdem alle Rentner versorgt werden können.
hr-info: Die Idee ist ja nicht ganz neu. In Norwegen gibt es das schon länger. Das wird gerne auch als Vorbild herangezogen. Hat sich die Aktienrente denn dort bewährt?
Pimpertz: Norwegen hat eine sehr komfortable Situation, weil sie eine zahlenmäßig kleine Bevölkerung haben und weil sie ihren Kapitalstock aufbauen aus den Einnahmen ihrer Öl- und Gasexploration.
hr-info: Also sie haben einfach viele Einnahmen.
Pimpertz: Genau. Norwegen kann daraus entsprechend einen Kapitalstock aufbauen und anlegen, und daraus Sozialleistungen finanzieren. Wir hier in Deutschland haben diese Möglichkeit nicht. Aber dennoch ist es richtig: Wenn in einer alternden Gesellschaft eben nicht die nachfolgenden Generationen ständig stärker belastet werden sollen, dann braucht es eine Kapitaldeckung, um diese stärkere Belastung für jüngere Menschen zu durchbrechen. Die Frage ist nur: Muss das in der Hand des Staates erfolgen?
hr-info: Das ist ja die Idee von Christian Lindner. Der will erstmal zehn Milliarden Euro pro Jahr aus staatlichen Geldern in den Fonds stecken. Reicht das Ihrer Meinung nach?
Pimpertz: Also zehn Milliarden sind kaum ein Tropfen auf den heißen Stein. Die daraus zu erwartenden Renditen würden nicht reichen, um den Beitragssatz auch nur um einen zehntel Punkt zu reduzieren. Es braucht erheblich größere Volumina. Die gilt es erst einmal aufzubauen. Und woher nehmen wir das Geld - aus Steuermitteln? Und ob nach zehn Jahren schon genug aufgebaut ist, da habe ich Fragezeichen. Um es zu verdeutlichen: Bei einer Rendite von fünf Prozent würde also die Einnahme aus einer solchen, sagen wir mal hundert Milliarden starken Anlage kaum helfen, den Beitragssatz in Größenordnung von einem Prozentpunkt zu reduzieren. Da braucht es größere Volumina.
hr-info: Und da haben Sie schon mit einem halben Satz angedeutet, dass sie wahrscheinlich eher die Privatwirtschaft sehen, die da einspringen soll. Das hatten wir doch schon bei der Riester-Rente. Das hat auch nicht so gut funktioniert.
Pimpertz: Die Riester-Rente ist gar nicht mal so schlecht, die würde ich nicht so gerne in Misskredit bringen. Der Knackpunkt ist: Wer schützt Steuerzahler, Beitragszahler oder Sparer davor, dass nicht künftige Bundesregierungen qua Gesetz doch Zugriff auf das Kapital nehmen wollen? Hier ist doch genau die Stärke der betrieblichen und der privaten Vorsorge. Zugrunde liegen dort private Versicherungsverträge und die sind eigentumsrechtlich geschützt. Das juristisch abzusichern, wenn das in einem staatlich verantworteten Fonds stattfindet, halte ich für sehr schwierig.
hr-info: Ist es denn sinnvoll, Steuermittel in so einem Aktienfonds anzulegen? Wir wissen, dass es an den Aktienmärkten auch mal schnell bergab gehen kann. Da steckt doch auch ein Risiko drin.
Pimpertz: Natürlich steckt ein Risiko drin, aber es steckt auch ein Risiko in der ausschließlich umlagefinanzierten Rente.
hr-info: Also die, die wir im Moment haben.
Pimpertz: Ganz genau. Weil wir künftig weniger Beitragszahler haben und das, was wir an Rente erwarten, dann ausschließlich auf die Schultern der jüngeren Menschen überwälzt wird. Das Risiko Kapitalmarkt ist tatsächlich gegeben, aber das ist ja genau Aufgabe privater Vermögensanlage-Institutionen, Vorkehrungen zu entwickeln, wie man Kursrisiken managen kann. So ein Fonds macht nur Sinn, wenn ich ihn werterhaltend anlege und gleichzeitig Liquidität sichere, damit ich jedes Jahr einen erwartbaren Überschuss an die Rentenkasse zahlen kann. Und das kostet Renditechancen. Deswegen werden auch da die Bäume nicht in den Himmel wachsen.
Sendung: hr-iNFO "Aktuell", 30.1.2023, 15 bis 18 Uhr
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