#booktok Digitaler Wirtschaftsfaktor für die Buchbranche
Die Zahl der Menschen, die Bücher kauft, sinkt in Deutschland seit Jahren. Die Leselust der Menschen ist indes ungebrochen, doch wodurch wird sie befeuert? Einige Verlage konzentrieren sich aufs Digitale und tummeln sich daher jetzt bei: Tiktok! Unter dem Hashtag #Booktok sind dort auch InfluencerInnen - sonst mehr mit Kosmetik, Schönheit oder Mode - befasst, in Sachen Bücher unterwegs. Und empfehlen sich da gegenseitig Bücher.
Der altehrwürdige S. Fischer Verlag in Frankfurt wirbt seit einigen Monaten für seine Bücher auf TikTok – Ingmar Weber leitet beim Verlag das Online-Marketing: "Wir posten dort Videos zwei bis dreimal die Woche und haben dadurch einen Austausch mit einer Leserschaft, die wir sonst wahrscheinlich gar nicht so gut erreichen würden."
Auch Influencerinnen stellen unter dem Hashtag "Booktok" auf Tiktok Bücher vor: In ihrem Video hält Influencerin Vanessa das Buch "Hold me" von Anna Savas in die Kamera: "Ich liebe dieses Buch einfach und ich finde, es sollte noch viel mehr Aufmerksamkeit bekommen. Und das ist ein Grund, warum ich BookTok liebe, ich habe nämlich schon so viele Bücher wegen BookTok gefunden. Deshalb würde mich interessieren, was gerade euer Lieblingsbuch ist. Und wenn ihr ein Video dazu macht, dann teilts unbedingt mit dem Hashtag BookTok, damit es auch ganz viele andere sehen. Und vielleicht ist es ja dann auch bald mein neues Lieblingsbuch."
Triviale Community?
Es geht mehr um Gefühle, weniger um geistreiche Rezensionen. Das gefällt Ingmar Weber vom S.Fischer-Verlag an "Booktok": "Wo man sagt: Ja, das ist ein bisschen trivial, das ist kitschig. Dass das auf TikTok gar keine Rolle spielt, weil diese Community entscheidet selbst, was ihr gefällt oder nicht gefällt."
Die Community, das sind vor allem junge Frauen. Die Booktokerinnen zeigen auf Tiktok ihre Regale voll mit bunten Büchern mit schicken Titeln. Auf ihren Geschmack stellt sich der S. Fischer-Verlag ein und gestaltet manche Bücher bewusst für diese Zielgruppe. Zum Beispiel das neue Buch von Bestseller-Autorin Kerstin Gier, die vor allem Bücher für Frauen und Fantasy-Jugendbücher schreibt. Denn Bücher sind für Leserinnen auch als Objekt wichtig, sagt Ingmar Weber: "Man sieht auch oft Videos, wie wie diese Bücher ausgepackt werden. Und dann die Freude darüber, weil es eben ein schönes Produkt ist und eben das, was ein E-Book nicht bieten kann."
Bei booktok gesehen, im Laden gekauft
Auch junge Leserinnen und Leser bevorzugen gedruckte Bücher, und keine e-Books - diese haben nur sechs Prozent am Umsatz auf dem Buchmarkt. Im vergangenen Jahr wurden für 9,4 Milliarden Euro Bücher in Deutschland verkauft, das war ein leichter Rückgang. Booktok könnte bei den Jüngeren wieder mehr Lust auf Bücherlesen und -kaufen auslösen, jedenfalls hört er so etwas aus den Buchhandlungen, sagt Thomas Koch vom Börsenverein des deutschen Buchhandels: "Also es kommen junge Menschen in die Buchhandlung und sagen: Ich habe da ein Buch bei BookTok gesehen. Haben Sie das im Laden?"
Das erlebt auch Barbara Hammes von der Buchhandlung Hugendubel in Frankfurt: "Junge Leute mit Begeisterung. Und die kommen zu dritt und zu viert. 'Und hast du das schon gesehen? Und hast du das schon gelesen?' Also die brauchen vielleicht gar keinen Buchhändler mehr, weil die selber so toll informiert sind!"
Von Kafka bis Austen
Lovestories und Fantasy sind jetzt mehr gefragt, die Verlage bieten deshalb mehr davon an. Aber nicht nur sowas wird auf Tiktok gehypt: Die Community liest auch Klassiker, etwa Jane Austen: "Austen ist natürlich immer schon beliebt gewesen, jetzt noch sehr viel mehr", sagt Barbara Hammes. "Kafka geht interessanterweise auch gut, was nicht an den Schullektüren liegt, sondern wohl eher daran, dass es so ein bisschen abseitige Geschichten sind. Und es geht hin bis zu Zweig über Hesse."
Kleiner Wermutstropfen: Trotz neuer, junger Leseratten ist seit 2018 insgesamt die Zahl der Buchkäufer um vier Millionen gesunken.
Sendung: hr-iNFO Aktuell, 18.10.2023, 9 bis 12 Uhr