Droht eine Pleitewelle? So steht es um hessische Bierbrauer
Zur Fußball-WM fließt traditionell vor den Bildschirmen und in den Kneipen reichlich Bier. Dieses Mal ist das ein anders, dabei könnte die Bierbranche gerade jetzt eine starke Nachfrage gut gebrauchen. Denn laut dem Deutsche Branchenverband stehen die Bierbrauer angesichts von Preissteigerungen und Inflation mit dem Rücken zur Wand. Auch in Hessen.
Bei der Darmstädter Privatbrauerei Braustübl laufen Hunderte von Flaschen durch die Füllanlage. Doch während hier alles aussieht wie immer, laufen Brauereiinhaber Christoph Köhler seit Jahresbeginn die Kosten davon. "Teilweise hat sich der Preis für eine Flasche Neuglas Bier verdreifacht", sagt er. "Von 10 Cent auf 30 Cent. Und das ist natürlich eine extreme Kostensteigerung."
Und damit nicht genug. Der Preis für Malz hat sich verdoppelt, so Köhler. Etiketten, Deckel, Desinfektionsmittel. Überall kennen die Preise nur eine Richtung: Nach oben. Besonders schmerzhaft sei das bei Strom. "Eine Brauerei ist ein extrem energieintensives Unternehmen. Wir machen viele Sude, eine große Menge Bier. Und die kocht eine ganze Weile. Deshalb sind gerade Teuerungen im Energiebereich welche, die uns ziemlich hart treffen."
Viele Probleme, aber keine Pleitewelle
Mit diesen Erfahrungen ist Christoph Köhler in Darmstadt nicht allein. Solche Kostensteigerungen wie seit Beginn des Jahres habe die Branche noch nie erlebt, sagt der Geschäftsführer des Brauerbundes Hessen und Rheinland-Pfalz, Axel Jürging. Trotzdem beruhigt er: "Eine Pleitewelle sehe ich nicht. Aber ich sehe wohl, dass einige Brauereien mit dem Rücken zur Wand stehen. Und was da rauskommen wird, das vermag ich nicht zu prognostizieren. Wir hoffen, dass sich die Brauereien fangen, wenn das Kostenumfeld günstiger wird. Aber wir müssen erst schauen, in wieweit das tatsächlich durchgreift."
Er spielt damit auf die geplanten Entlastungspakte der Bundesregierung an. Denn für Axel Jürging vom Brauerbund ist klar: An der Preisschraube können die Brauereien selbst kaum drehen. "Die Möglichkeiten der Brauereien, Kostensteigerungen weiterzugeben, sind sehr begrenzt. Wir haben in Deutschland zwar die Situation, dass wir Bierland Nummer 1 sind. Aber weil der Verbrauch in den letzten Jahren immer ein wenig weiter gesunken ist, haben wir eine Überkapazität am Markt. Das drückt auf die Preise."
Sparkurs auferlegen und Kosten weitergeben
Erste Folgen: Radeberger will die Binding-Brauerei am Standort Frankfurt schließen. Eine Nachricht, die auch Christoph Köhler von der Darmstädter Brauerei Braustübl schockiert hat. Seine Hoffnung: Dass die Schließung im besten Fall den anderen Brauereien in Hessen ein wenig Luft verschafft. Denn auch in seinem Unternehmen sind die Folgen spürbar: "Dass wir uns selber einen Sparkurs auferlegen, dass wir aber auch gucken, wie wir die Kosten weitergeben können."
Damit es sich rechnet, müsste die Halbliter-Flasche Bier langfristig einen Euro kosten, so Köhler. Davon sei man gerade aber noch weit entfernt. Klasse statt Masse. Das ist das Motto der Glaabs-Bräu in Seligenstadt. Und genau darin sieht Geschäftsführer Julian Menning die Zukunft: "Wir stecken schon mitten drin in der Krise und haben uns aber langsam an den Krisenmodus gewöhnt. Und haben uns daraus neue Prozesse generiert, um darauf reagierien zu können. Ganz wichtig ist der enge Austausch mit Lieferanten und mit Kunden. Wir hatten auch teilweise Sortiment nicht auf Lager und werden diesen Weg auch weiter einschlagen, weil das für uns deutlich ehrlicher ist, als immer zu suggerieren, dass es keine Krise gibt."
Auch der Darmstädter Brauereiinhaber Christoph Köhler sagt, er fühle sich gerade unsicher. Vor allem mit Blick auf den Winter. Aber trotzdem gibt er sich optimistisch, dass nach 175 Jahren Tradition noch lange nicht Schluss sein wird.
Sendung: hr-iNFO "Aktuell", 01.12.2022, 6 bis 9 Uhr