Fünf Jahre Neue Altstadt Licht und Schatten im Herzen Frankfurts
Schon der Name ist ein Widerspruch in sich: Die neue Altstadt in Frankfurt wurde vor ihrer Konstruktion heftig diskutiert. Aber wie sieht es jetzt, fünf Jahre nach ihrer Eröffnung, aus? Wie kommt der Stadtteil bei "Einheimischen" und Touristen an? Ein Stimmungsbild.
Die größten Hits von Vivaldi, Bach und Mozart – in der neuen Altstadt kann man sie hören. Sergei hat sie alle drauf und spielt sie auf seinem Akkordeon in Dauerschleife. Meistens sitzt er vor der Goldenen Waage, dem wohl prächtigsten der wiederaufgebauten Fachwerkhäuser. Sergei kommt aus Russland, ist am Konservatorium ausgebildet und arbeitet nicht nur in der Altstadt, er wohnt auch da: "Vor fünf Jahren war ich zum ersten Mal hier, und ich habe mich in die Altstadt verliebt. Vor drei Monaten habe ich hier eine Wohnung bekommen, und darüber bin ich total froh!" 2500 Euro Warmmiete für eine 100-Quadratmeter-Wohnung, sagt er.
Wohnen in der Altstadt ist teuer und man muss Trubel mögen. Denn gerade an Wochenenden ist es proppevoll, auch auf dem Hühnermarkt, dem zentralen Platz, wiederangelegt nach historischem Vorbild. Dort ist auch das Café von Julian Ploch und seinem Team. Seine Kunden, erzählt er, sind zum einen aus der Region, zum Beispiel aus der Wetterau und dem Taunus. Zum anderen "natürlich auch internationalen Tourismus durch den Flughafen. Aber trotzdem, wenn man sich jetzt anguckt, wer bei uns dann Kaffee trinkt, dann sind es auch viele junge Menschen ganz bunt gemischt und auch viele aus Frankfurt."
"Öffentlich subventionierte Wohnungen für Bestverdiener"
Rund 30 Geschäfte, Cafés und Restaurants gibt es in dem engen Quartier. Auch Philipp Sturm besucht es öfter, trinkt einen Kaffee dort. Vor der Eröffnung gehörte der Politologe zu den Kritikern der Altstadt. Inzwischen hat er seinen Frieden mit dem Quartier gemacht, aber an einigen Kritikpunkten hält er fest: "Dort sind nur ein paar Wohnungen entstanden, für die Bestverdiener und das auch noch öffentlich subventioniert." Ein anderer Punkt sei das Klima: "Wenn man durch die Altstadt geht, wir sehen keinen einzigen Baum dort und zudem die Geschichtsvergessenheit, die dadurch entstanden ist durch diese Rekonstruktion."
Es werde eine heile Welt inszeniert, die es so nicht mehr gebe. Manche sagen sogar, es sei ein Disneyland entstanden. Zufällig ist gerade eine Gruppe von Stadtplanern aus Dortmund in der Altstadt. Ein Disneyland sehen sie nicht: "Im Großen und Ganzen haben wir uns selber gerade auch gefragt, wenn es in unserer Stadt wäre, würden wir es gut finden oder nicht so gut? Wir haben gesagt, ja doch klar, würde man haben wollen."
"Das Geld war es Wert"
Überhaupt geht man nach dem Andrang und nach den Eindrücken an einem sonnigen Mai-Wochenende, dann ist das Urteil eindeutig. Eine Besucherin beschreibt es so: "Es ist einfach nur klasse. Es ist belebt, es ist ein Hingucker. Es ist es wert, das getan zu haben, auch wenn das Geld natürlich in Frankfurt auch an anderen Ecken gebraucht wird."
Ein Besucher aus der Schweiz, der für ein paar Tage in Frankfurt ist, sieht es ähnlich: "Ich habe die Architektur bewundert und gesagt hey, hier versucht man, Altes mit Neuem zu verbinden, ohne das Alte zu imitieren, sondern neu zu interpretieren. Ich finde es wunderbar." Und auch diese Besucherin plädiert mit leichtem Akzent für einen Besuch: "Ich mag diese Stadt und ich hoffe, dass alle Leute ihre Schönheit genießen."
Sendung: hr-iNFO "Aktuell", 9.5.2023, 12 bis 15 Uhr
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