Harald Zaun über außerirdisches Leben "Es spricht alles dafür, dass wir nicht alleine sind"
Mindestens 200 Milliarden Galaxien gibt es im Universum nach aktuellen Schätzungen. Dass es nirgendwo dort intelligentes Leben gibt, glaubt in der Wissenschaft kaum noch jemand. Auch der Wissenschaftshistoriker Dr. Harald Zaun nicht. Im Interview spricht er darüber, wie man Außerirdische finden und wie sie aussehen könnten und warum wir bei der Kontaktaufnahme lieber zurückhaltend sein sollten.
Harald Zaun ist Wissenschaftsautor, Wissenschaftshistoriker, Philosoph und Herausgeber. Zusammen mit dem Astrophysiker und Wissenschaftsjournalist Professor Harald Lesch hat er ein Buch geschrieben: "Die unheimliche Stille: Warum schweigen außerirdische Intelligenzen und Superzivilisationen?".
hr-iNFO: Herr Zaun, wie sind die Reaktionen, wenn Sie sagen, Sie glauben an Außerirdische?
Zaun: Die Reaktionen sind immer dann ansprechend für mich, wenn ich untermauere, dass wir die wissenschaftliche Methode präferieren. Also wir sind auch da in unserem Buch sehr vorsichtig vorgegangen und haben ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass bis auf den heutigen Tag die Astrobiologen, die Alien-Jäger, die Seti-Forscher noch keinen Beweis für die Existenz außerirdischer Intelligenz vorlegen konnten. Wir haben keine Alien-Leiche, kein Artefakt, kein Monolith wie in dem Science-Fiction-Film "2001: A Space Odyssey", wir haben noch keine fliegende Untertasse, keine Funkbotschaft, aber auch kein Lasersignal von ET. Ich glaube dennoch daran, dass wir nicht alleine sind, weil die Wahrscheinlichkeit in Anbetracht der Größe des Universums und der vielen potenziellen Galaxien und der neu entdeckten Exoplaneten - es spricht alles dafür, dass wir nicht alleine sein können.
hr-iNFO: Was weist konkret darauf hin, dass es möglicherweise Außerirdische gibt? Was ist da der aktuelle Stand?
Zaun: Wir haben bislang ungefähr 5.400 bestätigte Exoplaneten - also jene Planeten, die außerhalb der Erde existieren. Und viele von denen existieren auch in der habitablen Zone. Mir hat der berühmte Planetenforscher Michel Mayor, der den ersten Exoplaneten zusammen mit die Didier Queloz entdeckt hat, gesagt: Jeder Stern in unserer Milchstraße besitzt Exoplaneten, also Planeten, und jeder davon hat erdähnliche Planeten, und jeder davon hat erdähnliche Planeten in habitablen Zonen. Das sind also jene Zonen, in denen ein Planet in der Lage ist, flüssiges Wasser zu konservieren, was wiederum eine wichtige Voraussetzung für die Ausbildung von Leben ist, so wie wir es kennen und schätzen. Und ausgehend von dieser Extrapolation - wenn sie das hochrechnen, dann kommen sie auf Billionen von erdähnlichen Planeten. Und jetzt können sie das Ganze mal multiplizieren mit 200 Milliarden. So viele Galaxien gibt es mindestens im Universum.
hr-iNFO: Welche Methoden gibt es denn, um außerirdisches Leben zu entdecken?
Zaun: Also die Suche nach Leben im All teilt sich in zwei Bereiche auf: Man versucht erst mal vielleicht, extremophile Bakterien zu entdecken (Anmerkung der Redaktion: als extremophil werden Organismen bezeichnet, die sich extremen Umweltbedingungen angepasst haben, die im Allgemeinen als lebensfeindlich betrachtet werden). Oder man versucht, Biosignaturen in den Atmosphären von Exoplaneten zu finden. Das kann man mit starken Teleskopen und Spektrografen machen. Oder, die von uns präferierte Version ist natürlich die Suche nach außerirdischen Funksignalen respektive Lichtsignalen. Und das ist ebenso Seti, also Search for Extraterrestrial Intelligence.
Unser Buch hat den Schwerpunkt darauf gelegt, nach solchen außerirdischen Kulturen zu suchen. Und da gibt es Anstrengungen, seit 1960 gibt es Suchprogramme, Summa-summarum 150 Stück haben stattgefunden, viele unbekannte militärische Suchaktion wahrscheinlich auch noch. Also jede Menge Anstrengungen, die aber niemals global vernetzt waren. Es gibt keine supranationalen Suchanstrengungen. Und die meisten Suchaktionen standen unter einem schlechten Stern - der Pleitegeier war der ständige Begleiter. Die stehen unter großem finanziellen und großem Zeitdruck. Das Ganze kostet nämlich auch jede Menge Geld.
hr-iNFO: Was ist konkret in den letzten Jahrzehnten unternommen worden, um Außerirdische zu finden?
Zaun: Man hat natürlich erst einmal versucht, im erdnahen Bereich bis zu tausend Lichtjahren Radiosignale von anderen Welten aufzufangen. Bislang gibt es keinen Treffer. Dann hat man nach Lichtsignalen gesucht, das ist Optical Seti, das ist das zweite Standbein von Seti, aber auch kein Treffer. Dann hat man versucht, nach Dyson-Sphären zu suchen - es wird jetzt sehr fachspezifisch. Es wurde auch versucht, nach Artefakten auf dem Mond zu suchen. Man sucht nach Artefakten und nach sogenannten Bracewell-Sonden, die sich irgendwo versteckt haben könnten, sagen wir mal im Asteroidengürtel. Und es gab ernsthafte Anstrengungen, und zwar auf wissenschaftlicher Methodik beruhend, nach Tritium-Spuren Ausschau zu halten. Das würde entstehen bei der Annihilation und wenn sagen wir mal lichtschnelle Raumschiffe durch unser Sonnensystem fliegen würden. Also die haben eine ganze Menge Fantasie.
Das Ganze ist natürlich auch für viele sehr grenzwertig, muss ich auch selber konzedieren. Aber es hat dennoch eine seriöse Basis. Diese Seti-Community hat natürlich ein Legitimationsproblem. Aber es gab 1982 den großen Paradigmenwechsel: Da haben tatsächlich 70 bekannte, namhafte Wissenschaftler und Nobelpreisträger im "Science Magazine" eine Petition unterschrieben, und verkürzt war die Botschaft: 'Wir müssen nach außerirdischen Funksignalen suchen. Das ist die einzige Option, die wir haben, um mit intelligenten Kulturen in Kontakt zu treten.'
hr-iNFO: Wie ist das zeitlich gesehen - könnte sich schon wesentlich früher als bei uns auf der Erde irgendwo intelligentes Leben gebildet haben?
Zaun: Ja, unser gemeinsamer Ursprung ist ja der Urknall, the big bang. Der hat ja vor 13,82 Milliarden Jahren stattgefunden. Es war kein Ereignis übrigens, weil ein Ereignis kann ja nur in einer bereits bestehenden Vierdimensionalität stattfinden. Also der Urknall hat ja Raumzeit, Materie, Antimaterie und unbekannte andere Energieformen kreiert und generiert. Aber 380.000 Jahre danach entstand der Wasserstoff, und im Zuge der sogenannten stellaren Nukleosynthese entstanden in den Sternen die schweren Elemente, aus denen wir bestehen. Es heißt, wir sind alle Kinder des Urknalls, des Wasserstoffs. Wir sind aber zugleich Abkömmlinge der Sonnen. Und das gilt ja für Außerirdische genauso. Also wir haben einen gemeinsamen Ursprung, wir bestehen alle aus Materie.
Und wir wissen ja von unserem Planeten: Es gibt eine enorme Diversität in der Flora und Fauna, bereits 99,9 Prozent aller Arten sind schon wieder gegangen, sind im Zuge von Impact-Ereignissen, von Katastrophen von unserem Planeten verschwunden. Anderen Zivilisationen wird es nicht anders ergehen, die werden auch zu kämpfen haben mit den kosmischen Großereignissen, die hochgradig gefährlich sind für jede Zivilisation. Und natürlich haben wir noch das Damoklesschwert eines atomaren Krieges über unserem Haupt schweben. Also es liegt auch in unserer Hand, ob wir überleben oder nicht. Das gilt für andere Zivilisationen genauso. Und ich finde das ein spannendes Thema, das auch in der in der großen Greenback Konferenz 1961ein zentrales Thema war: Wie lange überlebt eine Zivilisation, die das atomare Stadium erreicht hat?
hr-iNFO: Wie könnte eine Kontaktaufnahme aussehen mit außerirdischem Leben?
Zaun: Es wird wohl keinen Dialog geben. Denn bedenken Sie: Sagen wir mal, wir bekämen eine Funkbotschaft vom Wega-System, 25 Lichtjahre entfernt - wir könnten frühestens in 50 Jahren eine Antwort erhalten. Wir würden antworten, müssten dann noch mal 25 Jahre warten. Also man braucht einen langen Atem, wenn wir überhaupt in Kontakt treten könnten via Funkwellen. Es gibt noch die Laser-Option oder eben das sogenannte Begegnungs-Szenario, dass man sich wirklich vis-à-vis, also leibhaftig, begegnet. Das ist ja das Szenario, das in unfassbar vielen Science-Fiction-Filmen oder Science-Fiction-Romanen durchgespielt wurde. Und wir erinnern uns alle an das Aussehen der Außerirdischen, die meist bösartig rüberkommen wie bei Independence Day oder Mars Attacs et cetera. Und wir können auch nicht diese Wahrscheinlichkeit ausklammern, dass sie uns wahrscheinlich nicht unbedingt freundlich gesinnt sein müssen.
hr-iNFO: Wie wahrscheinlich ist es aus Ihrer Sicht, dass tatsächlich optisch ähnliche Formen von Leben entstanden sind im All?
Zaun: Angesichts der hohen Anzahl von außerirdischen Kulturen würden hier und da einige existieren, die uns sehr ähnlich sind. Aber es würden auch viele existieren, die uns alles andere als ähnlich sind. Stanislaw Lem etwa hat in seinem Film Solaris einen Plasma-Ozeam vorgestellt. 99,9 Prozent der Materie des Universums, also der Materie, die wir sehen können, besteht aus Plasma. Das ist also eine intelligente Art und Weise der Interpretation von Lem. Also mit anderen Worten: Die müssen noch nicht mal ähnlich oder sagen wir mal anthropomorph sein, sondern sie könnten auch geistig sein. Oder sie haben eine Plasma-Struktur wie dieser Ozean bei Stanislaw Lem, der aber hochgradig intelligent ist und der dem Homo Sapiens in jeglicher Form überlegen ist. Wir müssen unfassbar viele Eventualitäten berücksichtigen, es gibt so viele Dinge, die können uns so fremdartig sein. Also wir werden mehr oder weniger Probleme haben, außerirdische Zivilisationen zu verstehen.
hr-iNFO: Wie ordnen sie angebliche UFO-Sichtungen ein, von denen man ja immer wieder hört?
Zaun: Wenn wir im tiefsten Konjunktiv bleiben, bin ich dabei. Es könnte so sein, aber es gibt eben keinen Beweis dafür, dass diese Objekte eine extraterrestische Herkunft haben. Es gibt andere Erklärungsmöglichkeiten, die extraterrestrische Hypothese ist nur eine. Sie ist die wahrscheinlichste, aber Harald Lesch und ich - und darauf legen wir großen Wert - haben in unserem Buch ganz klar geschrieben: Noch liegt hier nichts Handfestes, olfaktorisch, haptisch Erlebbares vor. Wir können nichts auf den Tisch legen, keine außerirdische Leiche, nichts kann von Labor zu Labor gereicht werden, unabhängig untersucht werden, wir hängen noch in der Luft. Und solange das der Fall ist, sage ich: Die Objekte sind da, sie haben eine physikalische Realität, sind von solider Struktur. Aber es ist nicht der Beweis dafür, dass sie extraterrestischer Herkunft sind.
hr-iNFO: Wenn wir nun davon ausgehen, dass uns die möglichen fremden Lebewesen nicht unbedingt freundlich gesinnt sind - wie sinnvoll ist es dann überhaupt, dass wir versuchen, Kontakt aufzunehmen?
Zaun: Wir wollen nicht zu viel verraten, aber ich sage Ihnen so viel: Die These unseres Buches läuft darauf hinaus, dass es im großen, dunklen Wald - und damit meinen wir das Universum - besser ist, vielleicht weniger zu senden, mehr zu schweigen, damit wir diesen außerirdischen bösen Geist nicht heraufbeschwören. Denn es gibt wohl feindselige Kulturen, die vielleicht nur darauf warten, dass wir zu offen sind und einfach zu viel von uns verraten, schlimmstenfalls die Position unserer Erde. Denn dann schicken die uns vielleicht ein Signal und es ist die Büchse der Pandora, die wir dann öffnen. Und das sollten wir vermeiden.
Also reserviert, konservativ und ein bisschen entspannt und locker alles mal beobachten, mal reinhorchen in die Signale, aber sich möglichst ruhig verhalten. Wir sind noch lange nicht so weit für einen "first contact". Wir sind 195 Staaten, alle spinnefeind, wir haben mehr als 7.000 Sprachen, 4.300 Religionen, wir leisten uns einen überflüssigen Rassismus, Frauen werden größtenteils unterdrückt, wir nutzen das Potenzial nicht. Wir sind noch lange nicht so weit.
Sendung: hr-iNFO "Der Tag", 11.4.2023, 19:05 Uhr
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