Sicherheit vor Spontaneität Intimitätskoordinatoren coachen Sexszenen in Hollywood 

Es gab sie schon vor der #MeToo-Bewegung, doch die Diskussion um Missbrauch in der Filmbranche hat ihren Job populärer gemacht: Koordinatoren für Sexszenen helfen immer öfter, den Arbeitsplatz am Filmset sicher zu machen. Unsere Reporterin hat mit einer Intimitätskoordinatorin über ihre Arbeit gesprochen.

Filmset (Symbolbild)
Filmset (Symbolbild) Bild © Pexels / Ron Lach
  • Link kopiert!

In der von der Kritik hochgelobten HBO-Serie "The Deuce" geht es unter anderem um den Straßenstrich und die Pornografieszene in den 70er und 80er Jahren in den USA. Klar, dass die Serie auch viele recht explizite Nackt- und Sexszenen enthält, in denen auch Emily Meade mitspielt. Sie war damals Ende 30 und habe sich nach der ersten Staffel mehr Schutz am Set gewünscht: "Ich dachte, ich würde mich wohler fühlen, wenn es jemanden am Set gäbe, dessen Hauptjob es wäre, diese Szenen zu managen, wie ein Stuntkoordinator."

Meade geht auf die HBO-Produzenten zu, diese willigen ein, denn zu Meades Überraschung gab es diesen Job bereits: Intimitätskoordinator nennt der sich,  doch nur wenige in der Branche wussten darüber Bescheid. 

Regeln für Bewegungen

Jessica Steinrock ist eine zertifizierte Koordinatorin für Sexszenen. Sie hat unter anderem in den Serien "Little Fires Everywhere" oder "The Walking Dead" mitgearbeitet. Sie ist eine Art Schnittstelle zwischen Regie und Schauspielern: "Ich helfe bei den Choreografien oder stelle Regeln auf für die Bewegungen, die wir ausführen. Wir reden über Zustimmung, damit die Schauspieler wissen, ob sie etwas tun wollen oder nicht."

Es sei wichtig, jemanden als Vermittler zu haben, denn sonst müssten Regisseure und Schauspieler selbst überlegen, wie sie eine Sexszene gestalten - und das führe auch zu Problemen. "Es gibt da einfach Machtdynamik - wie sieht es aus, wenn ein neuer Schauspieler sagt: 'Oh, das ist mir unangenehm, was schützt mich hier?'", so Steinrock. Es gebe einen echten Druck, das Tempo am Set zu halten. Und so könne alles, was das Drehen verlangsamt, als  Problem empfunden werden.

Barriere zwischen den Genitalien

Wenn es auf der Leinwand intim wird, liegt das natürlich oft an extremer Nähe. Es komme immer mal zu körperlichen Reaktionen, sagt Steinrock, die könne man nicht immer kontrollieren - unangenehm sei das oft für beide Seiten. Darüber habe man sich lange keine Gedanken gemacht, das habe sich auch mit den Koordinatoren am Set geändert: "Es gibt eine neue Richtlinie der Schauspielergewerkschaft, dass es eine Barriere zwischen den Genitalien geben muss. Diese Barriere muss ungefähr die Größe einer Yogamattenpolsterung haben. Diese Szenen haben mehr Sicherheit und mehr Würde."

Zitat
Wir werden nie die beste Schauspielerei bekommen, wenn jemand gleichzeitig versucht, für seine eigene Sicherheit zu sorgen. Zitat von Jessica Steinrock, Intimitätskoordinatorin
Zitat Ende

Deswegen ärgern Steinrock auch Aussagen wie die von Schauspieler Sean Bean. Der hatte kürzlich in einem Interview gesagt, die Intimitätskoordinatoren störten die Spontaneität am Set: "Schauspieler tun fast nie Dinge spontan. Der Dialog ist im Drehbuch vorgegeben, sie müssen im Bildausschnitt bleiben. Ich denke, wir helfen ihnen eher, besser zu werden. Denn wir werden nie die beste Schauspielerei bekommen, wenn jemand gleichzeitig versucht, für seine eigene Sicherheit zu sorgen."

#MeToo machte den Job populärer

Auch schon vor der #MeToo Bewegung gab es ihren Job. Aber die Diskussionen um Missbrauch am Arbeitsplatz und Machtverhältnisse, vor allem in der Filmbranche, hätten geholfen, den Job populärer zu machen. Schauspielerin Emily Meade jedenfalls hat mit ihrer Bitte nach mehr Sicherheit am Set etwas ausgelöst: HBO hat sich mittlerweile dazu verpflichtet, für alle TV-Shows einen Intimitätskoordinator einzustellen.

Weitere Informationen

 Sendung: hr-iNFO "Aktuell", 23.11.2022, 12 bis 15 Uhr

Ende der weiteren Informationen

Quelle: hr INFO