Pro und Contra Bundesweite Warnstreiks - übertrieben oder notwendig?

Es ist einer der größten Warnstreiks der vergangenen Jahre: Bundesweit haben stehen Züge, Flugzeuge und vielerorts auch Busse still. Ist das überzogen oder nowendig? Unsere Autoren sind geteilter Ansicht.

"EVG-Streik!"steht auf einer Anzeigentafel am Bahnhof
Falls es jemand nicht mitbekommen haben sollte: Heute rollt nichts auf der Schiene. Bild © hr
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Pro: Was sollen sie sonst machen?

Von Lars Hofmann

Ja, das ist heftig. Das übertrifft alle bisherigen Streiks, egal ob auf der Schiene oder in der Luft. Busse, Straßenbahnen, Regionalzüge, ICE und dann auch noch Flugzeuge. Und zu allem Überfluss sollen dann auch noch die Autobahnen betroffen sein, damit nur ja nichts mehr geht, möglichst niemand, der nicht aufs Rad oder aufs Auto umsteigen kann, zur Arbeit oder in die Schule kommt. Nur, was sollen sie sonst machen? Wenn Busfahrer einfach in eine Trillerpfeife blasen, Lokführerinnen eine Fahne schwenken und Sicherheitskontrolleure am Flughafen ein Plakat hochheben interessiert das niemanden, schon gar nicht ihre Arbeitgeber. Wenn sie wirklich Druck in ihren Tarifrunden machen wollen, dann müssen sie eben streiken. Und das trifft dann halt auch Unbeteiligte. Reisende, Pendler, Schülerinnen. So nervend, störend und unbequem das ist - ich finde, das müssen wir alle in Kauf nehmen.

Die Warnungen, Deutschland entwickle sich gerade zu einem Streikland wie Frankreich, halte ich für übertrieben. Das Streikrecht bei uns ist ziemlich eng gefasst. Gewerkschafter müssen Angst davor haben, mit Klagen überzogen zu werden, wenn sie sich nur den kleinsten Fehler bei einem Streik erlauben. Und die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt: Egal wann gestreikt wird, ob früh in einer Tarifrunde oder erst nach monatelangen, zähen Verhandlungen - die Arbeitgeberseite hält die Streiks immer für überzogen und immer für gerade unpassend. Ohne die Möglichkeit zu streiken, könnten Arbeitnehmer aber gar nichts erreichen. Deshalb, bin ich überzeugt, sollten wir alle vielleicht ein bisschen zähneknirschend oder etwas grummelnd diesen Tag hinter uns bringen und dann irgendwie auch froh darüber sein, dass wir überhaupt streiken dürfen, dass es diese Möglichkeit gibt - was in der heutigen Welt keine Selbstverständlichkeit ist.

Contra: Lasst Euch was (anderes) einfallen!

Von Ursula Mayer

Lange hatte ich wirklich Verständnis für die immer neue Streiks, aber allmählich platzt mir der Kragen. Dabei bin ich nicht grundsätzlich gegen Streiks. Denn wie sollten Arbeitnehmer ihre Arbeitgeber sonst dazu bringen, ihnen zum Beispiel bessere Löhne zu zahlen? Aber allmählich werden wir zur Streikrepublik - und immer werden wir alle in Mitleidenschaft gezogen. Am besten, man trägt sich jeden Streik wie ein Arbeitsmeeting im Kalender ein. Denn auch mir ist es schon passiert, dass ich mit meinem Kind vergeblich auf eine U-Bahn gewartet habe. Beinahe hätten wir dadurch unseren Zug verpasst. Stimmt, die werden ja jetzt auch bestreikt. Na, dann ist ja eh schon alles egal. Nein, so sorgt die ganze Streikerei für Riesenfrust. Und ist das alles wirklich in diesem Ausmaß nötig? Gerade bei den Bahngewerkschaften habe ich das Gefühl, die wollen nicht nur konkrete Forderungen durchsetzen, sondern sich dabei immer noch gegenseitig übertrumpfen. Solche Machtspielchen sollten wir nicht ausbaden müssen.

Und wenn schon gestreikt wird, warum sollten wir nicht alle etwas davon haben? Die Australier und Japaner haben es bereits vorgemacht, wie man streikt, ohne sich dabei unbeliebt zu machen. Dort haben streikende Busfahrer nämlich nicht alles stehen und liegen gelassen, sondern sind weiter Bus gefahren. Dafür haben sie aber alle kostenlos befördert. Diese Streiks der anderen Art haben den Arbeitgebern trotzdem geschadet, weil sie auf Einnahmen verzichten mussten. Also Streikende, lasst euch mal was einfallen! Es kann doch nicht sein, dass Ihr mit Euren Streiks nur anderen Arbeitnehmern das Leben schwer macht, wenn auch noch - wie in den letzten Wochen schon passiert - Kitas geschlossen bleiben und mit den Flügen sogar der nächste Urlaub ausfällt.

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Quelle: hr-inforadio.de/csi