Singapur Teuerste Stadt der Welt als Vorbild für sozialen Wohnungsbau
Singapur ist eine der teuersten Städte der Welt. Trotzdem leben rund 80 Prozent der Bevölkerung in ihren eigenen vier Wänden - in sozialem Wohnungsbau. Die Besitzer dürfen die Immobilien nach fünf Jahren sogar mit Gewinn verkaufen.
Ismail Wan führt durch seine kleine Dreizimmerwohnung im Zentrum Singapurs. "Hier habe ich die Wand zu einem der Schlafzimmer rausgerissen, um mehr Platz zu schaffen." Wan ist vierfacher Vater und Innendesigner, seine Wohnung sieht von innen aus wie eine Yacht mit viel dunklem Holz und Stockbetten wie in einer Kajüte. Der Familienvater kann die Wohnung umbauen, wie er möchte, denn sie ist sein Eigentum.
Staat verkauft Wohnungen deutlich unter Marktwert
Rund 80 Prozent der Singapurer leben in ihren eigenen vier Wänden - in sogenannten HDBs (Housing Development Board, übersetzt: Behörde für sozialen Wohnungsbau). "Die Wohnung ist ein toller Start für eine kleine Familie", sagt Wan. Der Staat verkauft Familien wie seiner Wohnungen deutlich unter dem Marktwert. Dafür müssen sie die Wohnung mindestens fünf Jahre behalten. "Als Erstkäufer bekommst du verschiedene Kredite und Vergünstigungen, damit du die Wohnung finanzieren kannst. Damit kann sich in der Regel eine Familie so eine Wohnung auch leisten."
Die Wans haben ihre Wohnung sogar schon abbezahlt. Würden sie die Wohnung verkaufen, könnten sie sich aus dem Gewinn eine größere Wohnung kaufen. Das Prinzip erklärt der stellvertretende Premierminister von Singapur, Lawrence Wong: "Die Leute können ihre Wohnung zu jedem Zeitpunkt verkaufen, und sie können den Gewinn behalten. Und im Gegensatz zu privatem Immobilienbesitz werden HDBs alle 30 Jahre vom Staat grundlegend renoviert, modernisiert und aufgewertet. Junge Familien, die in ihren Zwanzigern die erste kleine HDB kaufen, erwerben später mit dem Gewinn eine größere Wohnung. Und als Rentner finanzieren sie mit dem Verkauf ihr Alter."
Arzt neben Automechaniker
Die Preise für HDB-Wohnungen sind im vergangenen Jahr um mehr als zehn Prozent gestiegen, im Jahr zuvor sogar um rund 13 Prozent. Eine Wohnung, die 1964 wenige tausend Euro gekostet hat, ist heute mindestens eine Viertelmillion wert. Nach dem Ende der Kolonialzeit um 1965 lebten etwa zwei Drittel aller Singapurer in Slums oder in überfüllten Häusern ohne Wasser und Strom.
Thai Ker Liu war damals Stadtplaner in Singapurs Wohnungsbaubehörde. Er läuft über den Gang eines HDB-Blogs, den er mit entworfen hat. "Am Anfang waren das Mietwohnungen, aber die Leute haben da nicht so darauf acht gegeben", sagt er. "Die Korridore sahen unmöglich aus. Das ist jetzt anders. Denn wenn die Leute etwas besitzen, dann wollen sie auch nicht, dass es Schaden nimmt."
Sie wollten damals zudem nicht nur Häuser bauen, sondern Gemeinschaften, erzählt der Stadtplaner - Gemeinschaften, in denen Arzt und Automechaniker, Maler und Musiker Wand an Wand Leben. "Eine Lektion ist: Wenn arme und besser gestellte Familien nebeneinander wohnen, dann werden die Kinder der ärmeren Familien sich bei den anderen viel abschauen und selbst besser und schneller im Leben vorankommen."
Norm statt Stigma
Das multikulturelle Singapur diktiert auch das Zusammenleben der Ethnien. Das ist für Makler Ron Chong immer wieder eine Herausforderung. Er steht in der Wohnung eines preisgekrönten fünfzigstöckigen HDBs - mit Joggingstrecke und Grünflächen auf dem Dach. Die Dreizimmerwohnung in bester Lage darf er nicht an jeden Interessenten vermitteln. Es gibt feste Quoten, wie viele Chinesen, Malayen oder Inder in jedem Haus wohnen dürfen, entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung.
"In diesem Fall gehört der Verkäufer zur chinesischen Ethnie", sagt Chong. "Also wenn jemand mit chinesischen Wurzeln kaufen will, ist das kein Problem. Wäre er von einer anderen Ethnie, müsste man erst prüfen, ob das dann konkret passt." So will der Staat Ghettos vermeiden.
"Ich finde, sie bekommen das gut hin. Wir haben einen guten Mix an Drei-, Vier- und Fünf- Raumwohnungen in den Blocks, sodass sich alle Alters- und soziale Gruppen gut vermischen und aneinander anpassen", sagt Familienvater Wan. seine Kinder fahren mit ihrem Rad durch den grünen Innenhof ihres Wohnblocks. Sozialer Wohnungsbau ist hier Norm und nicht Stigma.
Sendung: hr-iNFO "Aktuell", 18.1.2023, 6 bis 9 Uhr
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