Winterschlaf Warum Bären keine Thrombose bekommen

Braunbären bekommen in der Winterruhe trotz wochenlanger Schlafphasen keine Thrombose. Eine Studie hat jetzt den Mechanismus dahinter entschlüsselt - und ihn auch beim Menschen gefunden. Wie die Forschung diese Erkenntnis nutzen will und warum sie nicht die Lösung aller Thrombose-Probleme ist, erklärt hr-iNFO-Korrespondent Philip Artelt.

Zwei verschlafene Braunbären in ihrem Gehege im Natur- und Umweltpark in Güstrow
Verschlafene Braunbären in ihrem Gehege im Natur- und Umweltpark in Güstrow Bild © picture alliance / dpa | Bernd Wüstneck
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Tobias Petzold hat ein Abenteuer hinter sich. Eigentlich arbeitet der Arzt und Forscher am Uniklinikum München. Aber 2019 reiste er im tiefsten Winter nach Schweden, um Braunbären zu untersuchen. Mit Schneeschuhen ging es weiter zu den Höhlen, wo die Bären Winterschlaf halten. "Da gibt es dann einen mutigen und kräftigen Ranger, der dann letztlich Kopf voran die Höhle klettert und den Bär dort rauszieht", erzählt Petzold.

Forscher fanden Mechanismus auch beim Menschen

Der Bär wird untersucht - Ultraschall, Blutprobe - und nach einer Viertelstunde schon wieder in seine Höhle gelegt. Die Frage dahinter: Wenn der Bär doch den ganzen Winter nur rumliegt, warum bekommt er dann keine Thrombose? Eine Thrombose kann entstehen, wenn sich Blutplättchen an die Gefäßwände anheften. Dann reagieren Immunzellen, so wie wenn man eine Verletzung oder Infektion hat. Die Immunzellen aktivieren die Blutgerinnung, das Blut verklumpt und kann die Venen verstopfen. Beim Bären passiert das nicht. Während des Winterschlafs wird im Bärenkörper ein Protein herunterreguliert, das HSP47. Das Protein ist in der Lage, die Entzündungszellen zu aktivieren. Fehlt es, bleibt die Entzündung aus und damit die Thrombose.

Die Wissenschaftler fanden denselben Mechanismus auch bei Mäusen, bei Schweinen und beim Menschen: "Wir wussten es einfach nicht beim Menschen, weil man sich nie die Frage gestellt hat", sagt Tobias Petzold. "Wenn man über Immobilität nachdenkt, dann ist das erste, woran man denkt: 'Ups, jemand liegt im Bett, der hat das Risiko für die Entwicklung einer venösen Thrombose, einer Lungenembolie und ich muss ihm Blut verdünnen.' Von daher erschien es bis dato absolut paradox, dass wenn jemand querschnittsgelähmt ist oder sich weniger bewegt, dass der keine Thrombosen entwickelt."

Mehr Klarheit über die Entstehung von Thrombosen

Das Protein HSP47 wird beim Bären wie auch beim Menschen erst nach etwa zehn Tagen Ruhe heruntergeregelt. Das kurzfristige Thrombose-Risiko bleibt also. Mit den Erkenntnissen will Petzold jetzt an Methoden arbeiten, um Thrombosen zu verhindern und zu behandeln. Vielleicht könnten neue Vorsorgemethode so auch das kurzfristige Thrombose-Risikos senken.

Der Kölner Narkosearzt Ulrich Limper, ebenfalls Thrombose-Spezialist und Forscher am Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt, hat selbst ein paar Daten zu der Studie beigesteuert. Er warnt aber davor, die Erkenntnisse zu überinterpretieren: "Der Patient ist natürlich doch im Endeffekt nicht immer das, was wir in der Natur zum Beispiel als Bär-Modell finden. Der Patient hat ja auch noch eine Grunderkrankung, warum er zum Beispiel im Krankenhaus ist, warum er immobilisiert - ist eine schwere Infektion zum Beispiel. Da laufen noch andere Prozesse im Körper ab, die ebenfalls in die Blutgerinnung eingreifen." Die allumfassende Lösung aller Thrombose-Probleme bringt der Bär also nicht. Aber Hoffnung für Patienten und mehr Klarheit über die Entstehung einer Volkskrankheit.

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Sendung: hr-iNFO "Aktuell", 14.4.2023, 9 bis 12 Uhr

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Quelle: hr-inforadio.de/csi